Die Bilder folgen bald! Und es geht hoffentlich okay, dass ich den Code ein bisschen abgeändert habe!
Nein! Ich will dir nicht sagen, wer ich bin. Denn vielleicht weiß das nicht einmal ich so genau.
NAME: Man nennt mich Merle. Ein schöner Name, meinst du? Pah. Namen sind Namen. Und ich gebrauche ihn so gut wie nie, da ich ja eh alleine lebe. Ob er etwas bedeutet, weiß ich nicht, und es interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Chase, meine beste Freundin, die über so gut wie alles bescheid weiß, hat einmal gesagt, dass „Merlo“ auf Italienisch „Amsel“ heißt. Vielleicht ist „Merle“ ja die weibliche Version davon. Wobei ich das nicht hoffe, denn...ein Fuchs, der „Amsel“ heißt? Das wäre wirklich peinlich.
TITEL: Ach ja, Titel. Also wirklich. Was fängt man mit Titeln an? Sie klingen schön, aber zu mehr nutzen sie nicht. Man kann einen Titel nicht fressen, wenn man Hunger hat, und nicht trinken, wenn man Durst hat, und man kann sich nicht darunterstellen, wenn es heiß ist oder regnet, und man kann sich nicht dahinter verstecken, wenn man gejagt wird – kurz: Man kann überhaupt nichts damit anfangen. Und obwohl ich Titel verabscheue – schmeichelnde, kitschige, nutzlose, nervige, auf gut Glück aneinandergereihte Wörter – hab ich ganze Vier davon. Der eine, mein „offizieller Titel“ sozusagen, ist der, den ich am meisten hasse. Ich sag ihn nicht...oder doch...na gut. Taube Sängerin. Kann man sich so was Bescheuertes vorstellen? Nur, weil ich eine schöne Stimme habe und weil ich...weil meine Ohren...nein. Egal. Weiter im Text. Es geht euch sowas von nichts an. Mein zweiter Titel, beziehungsweise der Titel, mit dem meine Mutter pflegte, mich anzureden, lautet „Kleine“. Als Anspielung auf meine geringe Körpergröße. Aber mir gefällt dieser Titel immer noch am besten. Besser als „Täubchen“ und „Blindekuh“, wie mich meine Geschwister immer genannt haben. Oh ja, sie liebten es, mich aufzuziehen. Hey, uns ist langweilig, euch auch? Verbünden wir uns doch und gehen Klein-Merle mal wieder auf die Nerven, wir haben sie ja schon viel zu lange in Ruhe gelassen, und sie sieht so albern aus, wenn sie ihre kleinen Zähnchen fletscht und nach uns schnappt, das Täubchen, außerdem kann man sie so gut erschrecken, man braucht sich nicht mal anzuschleichen... Pah, kann ich da nur sagen.
ALTER: 4 Jahre, spielt das eine Rolle? Ich bin nur ein Jahr jünger als Chase, und die war im besten Alter. Ja, Chase....keine Sorge. Ihr erfahrt schon früh genug mehr über sie.
GESCHLECHT: Eine Füchsin oder Fähe. Das solltet ihr inzwischen wirklich kapiert haben. Sehr „weiblich“ bin ich aber wirklich nicht, denn ich bin mit 3 Brüdern aufgewachsen und musste ihnen immer wieder zeigen, dass ich auch was wert bin. Das ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. Und ich sage euch, trampelt nicht auf mir rum, nur weil ich diesem oder dem anderen Geschlecht angehöre.
RASSE: Zugegeben, so was wie mich sieht man selten...und ehrlich gesagt, auch wenn ich nichts gegen mich hab, das ist gut so. Kein Fuchs sollte so leben wie ich. Ich bin ein ganz normaler Rotfuchs, jedenfalls sollte ich das sein, aber mein schneeweißes Fell und meine rubinroten Augen sind...anders. Tja. Ich bin insgesamt anders als Andere. So etwas wie mich nennt man einen Albino.
GRÖSSE: Na schön, jetzt mal ganz ehrlich. Wen interessiert es bitteschön, wie viele Zentimeter Schulterhöhe ich habe? Widerrist messen, das ist Menschenzeug. Wir Füchse haben mit Zahlen und Recheneinheiten nichts, absolut nichts zu schaffen. Und das ist ein Glück, sonst müsste ich jetzt verraten, wie lächerlich klein ich bin, obwohl ich eine ausgewachsene Füchsin bin. Aber so muss es euch reichen zu wissen, dass ich kleiner und zierlicher bin als der Rest meiner Familie und auch als die meisten Füchse.
GEWICHT: Hört ihr schlecht? Ich gehöre nicht zu den Füchsen, die von Menschen eingefangen wurden. Ich weiß wirklich nicht, wie viele Kilogramm ich wiege. Aber soviel kann ich euch sagen, da ich ein Wildfuchs bin und nicht von Menschen gefüttert werde, bin ich sehr mager, man kann trotz meines dichten Felles meine Rippen sehen. Ganz allgemein würde ich also sagen: Gewicht – wenig. Sehr wenig.
AUGENFARBE: Wenn ich wählen könnte, würde ich mich natürlich dafür entscheiden, ein ganz normaler Rotfuchs zu sein. Einer ohne Probleme, der nicht ausgelacht wird und der die Anderen nicht beeindrucken muss, um akzeptiert zu werden. Aber ehrlich gesagt....da ich es schon mal nicht ändern kann, habe ich mich ganz gut damit abgefunden, dass ich so bin, wie ich bin. Und eigentlich gefällt es mir, dass ich etwas Besonderes bin. Dass ich jemand bin, der nie, nie so sein wird wie jeder andere langweilige Fuchs, egal was er macht. Und dazu gehört auch meine Augenfarbe. Zugegeben, sie ist ungewöhnlich, aber hässlich ist sie nicht: Rot. Rot wie ein Rubin, rot wie frisches Blut. Kein mattes, fahles Rot, sondern ein helles, leuchtendes Rot. Wenn man sich dran gewöhnt hat, sind meine Augen gar nicht mal hässlich.
AUSSEHEN: Mein Aussehen...bitte, ihr wisst das doch. Ich stehe vor euch. Wenn ihr eh so schlau seid, dann guckt mich an! Und selbst wenn ihr blind seid, solltet ihr wissen, dass Albinos weißes Fell und rote Augen haben, immer. Ich bin da keine Ausnahme. Und ich rede nicht gerne über mich. Ich rede insgesamt nicht gerne. Woher soll ich denn wissen, wie ich auf andere wirke? Nein, ich sag´s euch nicht. Reimt es euch doch selbst zusammen. Nein. Das kann ich nicht. Ich kann mich selbst nicht beschreiben – Nein, sagte ich! Oh, na gut, wenn ihr darauf besteht. Aber ich fasse mich kurz. Also, mein Fell ist mittellang und ziemlich weich, viel weicher als das anderer Füchse, aber auch weniger dicht. Obwohl ich aussehe wie ein Polarfuchs, friere ich ziemlich leicht und werde auch schneller nass, nass bis auf die Knochen. Die Natur hat meinem Körper nur Schwächen zugedacht...weiter also. Wie ihr wisst, ist mein Fell weiß, schneeweiß, blütenweiß, nicht so schmutziggelbweiß wie das eines Eisbären. Okay, ich gebe zu, das sieht wunderschön aus. Aber es ist für mich nur von Nachteil. Ich meine, im Winter ist ein weißes Fell ja okay, das tarnt sich gut, aber im Sommer sieht man aus wie ein wandelndes Stück Schnee, dass sich vom Nordpol hierher verirrt hat. Ich kann mich fast gar nicht unbemerkt an Beutetiere anschleichen. Wie lange ist es her, dass ich mein letztes Kaninchen gefangen habe? Sicher Jahre. Kaninchen sind aufmerksame Tiere, und ein sich heranpirschendes weißes Tier im grünbraunen Wald fällt ihnen auf. Nur Mäuse und kleine Vögel sind manchmal unaufmerksam genug, um sich von mir erwischen zu lassen. Und den Zweibeinern zu entkommen wird mit jedem Mal schwieriger. Langsam und ungeschickt sind sie ja, aber sie haben scharfe Augen wie die Falken und entdecken mich jedes Mal, auch auf Kilometer Entfernung. Und sie haben Hunde dabei, die ganz und gar nicht langsam oder ungeschickt sind, sondern schneller und stärker als ich. Ich bin ziemlich oft nur knapp entkommen...aber ich will nicht hängenbleiben, ich sollte ja von meinem Aussehen reden. Seht ihr, das kann ich nicht! Na gut. Meine Augenfarbe kennt ihr schon, also kommen wir zu meiner Statur. Ich bin, wie schon gesagt, sehr klein und zierlich, was den Vorteil hat, dass ich mich lautlos durch den Wald bewegen kann, ohne an Zweigen hängenzubleiben oder ohne mit meinem Gewicht einen Ast zu zerbrechen, der laut knackt und mich verrät. Ich passe auch in die kleinsten Tunnel, und das hat mir oft das Leben gerettet, wenn ich auf der Flucht vor den Hunden war. Ich habe mich einfach in einen leeren Baumstamm geflüchtet, in den sie nicht hineinpassen, oder in eine Wurzelhöhle. Wenn ich mich klein genug gemacht habe und mich tief genug in mein Versteck gepresst habe, haben mich die Menschen nicht einmal gesehen, wenn sie ihre Hunde eingeholt haben. Sie haben sich gefragt, warum ihre Hunde ein Wurzelloch oder einen hohlen Baumstamm anbellen, haben die „dummen Viecher“ ärgerlich angeleint und sind abgezogen. Aber ich schweife schon wieder ab. Also zurück zu mir. Ich bin sehr mager, wie schon gesagt, habe eine schmale Brust und meine Beine sind im Vergleich zum Rest des Körpers verhältnismäßig lang und schlank. Meine Beine gehören zu den wenigen Körperteilen an mir, auf die ich stolz bin: Sie sind zwar sehr dünn, aber sie sind stark und trittsicher. Nie würde ich stolpern, auch wenn ich auf meiner linken Seite gar nicht sehe, wohin ich...äh...nichts. Egal. Geht euch nichts an, wirklich nicht. Jedenfalls sind meine Beine wie geschaffen dafür, ohne Pause weite Strecken zurückzulegen, in leichtem Trab. Und ich bin sehr schnell, wenn ich will, aber meistens laufe ich langsam, weil ich dann eine Chance habe, mit meinen Schnurrhaaren Hindernisse zu ertasten, in die ich sonst hineinlaufen würde, weil ich ja auf der linken Seite...vergesst es. Weiter. Chase sagt, ich würde wunderschön aussehen und sie wäre gerne so wie ich, aber ich glaube, sie sagte das einfach nur, um mir eine Freude zu machen. Chase – die ist schön. Ich nicht. Mein Gesicht fand Chase auch ganz hübsch, weil, ich zitiere, „es so fein gezeichnet ist, mit griechischem Profil, langer, schmaler Schnauze, auf der die Schnurrhaare wie schwarze Punkte aussehen, leicht schräggestellten Mandelaugen, relativ kleinen, abgerundeten Ohren und einer hohen Denkerstirn“, wie sie sagte. Aber ich finde es todalbern. Welcher wilde Fuchs schert sich um sein Aussehen? Wem nützt es etwas, wie eine Porzellanpuppe auszusehen, wenn man doch stark erscheinen will – so stark, wie man sein muss, um zu überleben? Wirklich, von meinem Aussehen halte ich wenig.
MERKMALE: Doch, etwas Besonderes bin ich schon. Auch ohne Narben und so. Rote Augen, schneeweißes Fell – für einen gewöhnlichen Fuchs ist das schon recht aufsehenerregend. Aber na gut, ich bin halt so.
KRANKHEITEN/BEHINDERUNGEN: Wie...wie seit ihr darauf gekommen? Ich, ich tue eigentlich alles, um es zu verberg– ich meine, nein. Ich habe keine Krankheiten. Wenn man Albinosein nicht als Krankheit sieht, bin ich eine kerngesunde junge Füchsin. Ehrlich. N-nein, keine Behinderungen...na gut. Ihr wisst eh schon so viel über mich, kann ja nicht schaden, wenn ich gleich auspacke. Ich bin blind. Nur auf dem linken Auge zwar, aber das ist auch schon schlimm genug. Wenn ich einen Fuchs treffe, der das weiß, zieht er mich entweder damit auf und ärgert mich, oder er bemitleidet mich. Beides finde ich gleich schlimm. Kann ich nicht einfach als normaler Fuchs leben? Inzwischen habe ich mir das Halbblindsein so angewöhnt, dass ich ganz gut mit einem Auge zurechtkomme. Ich muss einfach öfter den Kopf drehen und nach links gucken als andere Füchse, das ist auch schon alles. Und meine anderen Sinne funktionieren dafür umso besser: Mit meinen Tasthaaren nehme ich die kleinsten Hindernisse wahr, ich erfasse jede Luftströmung, ich spüre sogar das Vibrieren in der Luft, wenn irgendein besonders lautes Geräusch in meiner Nähe ertönt. Meine Nase ist ähnlich empfindlich, ich kann im Umkreis von mehreren Meilen riechen, ob Jäger im Wald sind oder nicht. Das ist ziemlich nützlich. Und mein verbleibendes Auge funktioniert tadellos, ich kann damit sogar den Anderen von den Lippen ablesen. Nein! Ich mache das nur aus Spaß. Klar kann ich hören. Perfekt sogar. Ohne Probleme. Sonst hätte ich eure Fragen ja gar nicht gehört. Nein, nein, nein. Hört auf damit. Ich verrate euch nichts mehr. Es geht euch nichts an. Ihr wisst es eh schon, ihr habt es sicher schon erraten. Ich sage es euch trotzdem nicht...na seht ihr, ihr wisst es. Dass ich taub bin. Stocktaub. Auf beiden Ohren. Seit meiner Geburt. Das auch noch...ich war eine Fehlgeburt, die Letztgeborene, das ewige Nesthäkchen. Albinos sind oft blind oder taub, aber beides finde ich schon ganz schön hart. Und bemitleidet mich ja nicht! Das hasse ich. Ich komme auch ohne Gehörsinn wunderbar zurecht, wirklich.
CHARAKTER: Pfft, wenn das nicht die bescheuertste Frage ist, die mir je jemand gestellt hat. Was soll das? Ihr habt euch so lange mit mir unterhalten, da solltet ihr das doch eigentlich wissen! Und wirklich, ich kann meinen Charakter nicht beschreiben, ich weiß ja selbst nicht, was die anderen für einen Eindruck von mir erhalten! Also hört auf, mich zu bedrängen! Fragt jemand anders! Ich kann euch nichts sagen! Und ehrlich mal, mein Charakter ist alles andere als perfekt, ich glaube nicht, dass irgendwer da Genaueres drüber erfahren will. Lasst mich in Ruhe – sofort! Sonst zerfetze ich euch den Pelz! Ahh, gut. Na gut. Damit habe ich ja eigentlich eine wichtige Eigenschaft von mir schon genannt und bewiesen...Und keinesfalls eine Lobenswerte. Also, ich weiß nicht...ich bin niemand, der alles mit sich machen lässt, im Gegenteil. In meiner kleinen schwachen Albino-Brust schlägt ein Herz, das fest entschlossen ist, seine Fesseln zu sprengen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Das Herz eines Löwen, wie Chase scherzhaft sagte. Ja, Chase...sie kannte mich wirklich gut. Besser als ich mich selbst, vielleicht. Denn ich selber habe mich nie sonderlich mutig gefühlt. Und wenn ich doch mutig bin, dann bin ich wohl eher auf eine andere Art mutig als die meisten Anderen. Ich zeige es nicht offen. Ich bin eher auf eine...innere Art mutig. Meine Gedanken eilen meinen Taten voraus und vergessen sie manchmal auf der Strecke, so könnte man das sagen. Wenn mich ein fremder Fuchs wegen meiner Besonderheit anblafft, dann sehe ich rot vor Wut und male mir die furchtbarsten Dinge aus, die ich mit dem Fremden anstellen will. Aber die Wirklichkeit sieht so aus, dass ich stocksteif dastehe wie angenagelt, den Fremden ausdruckslos ansehe und nicht antworte. Wenn ich einen guten Tag habe, traue ich mich, böse zu gucken und vielleicht sogar die Zähne fletschen. Aber mir will kein Wort zu meiner Verteidigung über die Lefzen. Ich verstehe das selbst nicht. Ich meine, Angst habe ich keine, kein bisschen, ich bin einfach...schüchtern. Weiß nicht. Ehrlich, ich weiß nicht, warum mir das passiert. Man könnte meinen, der Angriff ließe mich völlig kalt. In solchen Situationen hat Chase mir dann immer geholfen. Sie war eine echt gute Freundin. Nur bei meinen drei Brüdern war das meistens nicht nötig. Ich kenne sie ja schon, seit ich auf der Welt sind, und besitze durchaus genug Mumm, um mich zu wehren. Wobei eine zierliche, taube, halbblinde Albino-Füchsin sehr wenig Chancen gegen drei kräftige, gesunde junge Füchse hat. Dennoch, ich habe keine Beleidigungen von ihnen auf mir sitzen lassen und mich vehement gewehrt. Zuerst mit Worten – und ich war sehr schlagfertig – und dann, als ich merkte, dass die Bande sich nicht reizen ließ, habe ich Taten sprechen lassen. Unter meinen Geschwistern gab es wohl niemanden, der nicht die Spuren meiner Zähne trug, und mein größter Bruder hat sogar sein halbes Ohr verloren. Später hat es mir Leid getan, dass ich es ihm abgebissen habe, denn ich bin auf keinen Fall gewalttätig oder so, aber eigentlich hatte er es nicht besser verdient. Anderen gegenüber...ich weiß nicht. Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass ich den Mut und den Willen dazu hätte, der ganzen Welt zu beweisen, wozu ich tauge. Aber ich habe nicht die Energie dazu. Nicht die Organisation. Nicht das...weiß nicht was. Ich habe es ziemlich satt, die ganze Zeit darüber nachdenken zu müssen, wie ich mein Handicap vor den Anderen geheim halten kann oder wie ich mich gegen dumme Sprüche verteidigen kann. Mein Verhalten hat mir sogar schon einen Spitznamen eingebracht: „Ohneworte“. Ich bin nämlich Fremden gegenüber sehr distanziert, reserviert, schüchtern – nennt es, wie ihr wollt. Ich sage nur, was unbedingt nötig ist. Und insgesamt bin ich eigentlich keine große Plappertante, ich hasse es, wenn ich viel reden muss. Nur mit Chase und meinen besseren Freunden, und mit meinen Geschwistern, traue ich mich, mehr zu reden. Die Anderen interessieren mich nicht. Sie haben mir nichts zu sagen. Am liebsten will ich einfach meine Ruhe haben vor allen Füchsen auf der Welt. So, was sonst noch? Chase sagte immer, ich sei intelligent: „Du kennst die besten Tricks, um an Futter zu kommen, Jägern auszuweichen oder einen guten Schlafplatz zu finden. Und wenn die nicht funktionieren, bringst du dir schnell bei, wie es besser geht, und du hast keine Probleme, dich anzupassen. Das finde ich echt schlau. Und du denkst sehr viel nach. Das merkt man, weil du dann immer diesen nachdenklichen, verträumten Blick aufsetzt. Ich liebe den an dir. Und manchmal teilst du mir mit, was du denkst. Ich glaube nicht, dass ein Fuchs jemals vorher solche Gedanken hatte. Einmal haben wir einen Wasserfall betrachtet, und du hast plötzlich gesagt: 'Was meinst du, besteht das Wasser aus vielen einzelnen Tropfen, die sich zusammenfügen, oder ist es eine einzige große Masse, die sich immer zersplintert, wenn sie einen Wasserfall erreicht?' Auf diesen Gedanken wäre ich nie gekommen. Du kannst total einfache und alltägliche Dinge anschauen und dir intensive und poetische Gedanken darüber machen.“ Ich habe Chase dafür geliebt, dass sie immer das Schöne in mir sah.
STÄRKEN: Ach herrje. Was ich gut kann? Keine Ahnung, woher soll ich das schon wieder wissen? Ich denke eigentlich eher über meine Schwächen nach. Und ich denke im Allgemeinen nicht gern über mich nach. Gut, ich bin schnell und geschickt. Und ich finde mich gut im Wald zurecht, höre auf meine Instinkte, finde immer die besten Verstecke, um die Hunde auszutricksen, und blablabla. Abgesehen davon fällt mir nichts mehr ein. Außer, dass Chase sagte, ich sei so intelligent und mache mir so poetische Gedanken und all den Quatsch. Aber ob das stimmt, na ja...
SCHWÄCHEN: Viele. Zu viele, um sie alle aufzuzählen...die erste ist mal, dass ich zwar nicht gerne von mir rede, aber wenn ich es tue, dann fange ich unvermeidbar an, anzugeben. Finde ich jedenfalls. Kann sein, dass ich mich irre. Chase sagte immer, ich sei viel zu streng mit mir selber, aber so ganz glaube ich ihr das nicht, weil Chase immer nur nette Sachen über mich gesagt hat. Also, jedenfalls empfinde ich es als Schwäche, dass ich so sehr angebe. Insgesamt finde ich, ich bin ein rundum verkorkster Charakter. Es ist meine Taubheit und mein blindes Auge. Auch, wenn sie mir körperlich nicht allzu sehr schaden: Sie richten mich zugrunde. Meine Seele. Es ist furchtbar, zu wissen, dass man nur dieses eine Leben hat und dazu verdammt ist, nie die Geräusche der Natur wahrzunehmen und nie auf beiden Augen zu sehen, nie zu fühlen, wie sich ganz normale, sorglose Füchse fühlen, die...ach, egal. Das interessiert euch sicher eh nicht. Also weiter im Text. Mein geringes Selbstwertgefühl und die Tatsache, dass ich angeblich zu streng mit mir selbst bin, habe ich schon genannt, also, was gibt es noch? Abgesehen von meiner Blindheit und meiner Taubheit, meiner geringen Kraft, meiner Naivität, meiner Einsamkeit, meiner wortlosen Schüchternheit, der Tatsache, dass ich mich selbst zu wichtig nehme...na ja, ich denke, das war alles, was mir jetzt so auf die Schnelle einfällt.
VORLIEBEN: Ich würde nicht sagen, dass ich ein glückliches Leben führe. Niemand kann ein perfektes Leben führen. Und ich bin besonders arm dran, wegen meiner Taubheit und meinem blinden Auge. Aber es gibt immer noch Dinge, die mir gefallen, die mich glücklich machen. Beispielsweise die Natur. Wenn ihr jetzt fragt: „Welche Natur genau?“, dann antworte ich euch: „Alle Natur.“ Ich liebe jedes Wetter – den Schnee, den Hagel, den Regen und den Sonnenschein. Wenn es regnet, riecht die Luft ganz frisch und sauber, überall perlen funkelnde Wassertropfen und es fühlte sich gut an, wenn die dünnen Wasserfäden durch mein Fell rinnen. Wenn es schneit, leuchtet die ganze Welt kalt, weiß und leicht bläulich, und obwohl ich weder Jungfuchs noch Welpe bin, lasse ich mich öfter mal zu Schneespielen hinreißen. Hagel und Gewitter finde ich spannend, auch wenn ich bei diesem Wetter lieber im sicheren Bau sitze, und Sonnenschein...na ja, Schönwetter eben. Ich mag den Geschmack der Luft, wenn es sonnig ist, und das warme, kitzelnde Gefühl der Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Aber na gut, genug davon. Was ich sonst noch mag? Das war eigentlich fast alles. Ich mag nur noch Chase, und ich mag Abenteuer. Nicht, dass ich besonders abenteuerlustig bin, aber wenn ich schon in eins reinschlittere, mache ich ein Spiel daraus, eine Chance, mich zu beweisen. Es macht mir Spaß, die Hunde der Jäger auszutricksen und meine Talente einzusetzen. Und, na ja, das war´s auch schon.
ABNEIGUNGEN: Puh. Es gibt viele unschöne Dinge auf der Welt. Die ganz Allgemeinen, die jeder schlecht findet – Zweibeiner, Hunde, Feuer, zu große Hitze, zu große Kälte, Beutemangel und so weiter – und einige persönliche Dinge. Meine allergrößte Abneigung ist wohl meine Blindheit und meine Taubheit. Habt ihr eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlt, zu wissen, dass die Vögel wunderschön singen, aber auch zu wissen, dass man sie nie hören wird – nie, nie, ganz egal, was passiert? Nein. Könnt ihr gar nicht. Ich labere Unsinn, also weiter. Ansonsten gibt es nicht viele persönliche Dinge, die ich nicht mag. Was ich nicht leiden kann, ist, wenn Füchse großes Getue um meine Behinderung machen – wenn sie mich auslachen und mich ärgern, oder auch, wenn sie mich bemitleiden. Chase war eine der Wenigen, die wusste, dass ich das nicht leiden kann, und die sich mir gegenüber ganz normal verhalten hat.
VERGANGENHEIT: Oh nein. Fragt mich das nicht. So allmählich reicht es mir wirklich. Ihr habt mir ein riesengroßes Loch in den Bauch gefragt, ihr wisst vielleicht sogar mehr über mich, als Chase es jemals getan hat, und ihr bohrt immer noch nach? Nein. Ich mach´ nicht mehr mit, mir reicht´s. Und dann auch noch ausführlich – erwartet ihr, dass ich, die für meine Introversion bekannt bin, aus dem Nähkästchen plaudere, wie ich mich wann gefühlt habe? Ach, hört doch auf. Ich kann euch nur ganz vage sagen, was in meinem Leben passiert ist. Wenn euch das nicht reicht, ist es euer Problem. Ich wurde in diesem Wald geboren. Und hier werde ich vermutlich auch sterben, denn ich habe nicht vor, ihn zu verlassen. Meine Mutter kümmerte sich gut um mich und meine drei Brüder, und mein erstes Lebensjahr war relativ glücklich. Dann, als ich ein Jahr alt war, wurde meine Mutter von Jägern erschossen, und meine Brüder verließen den Wald und verteilten sich in alle Himmelsrichtungen, um ihr eigenes Leben zu finden, oder was auch immer. Sie hatten schon immer so dumme Ideen. Jedenfalls war ich jetzt alleine, nur meine Freundin – gut, eigentlich meine ältere Halbschwester – Chase kümmerte sich um mich, und das zwei Jahre lang. Wir hatten eine sehr glückliche Zeit. Eines Tages wurde Chase auch von Jägern erschossen, ich war dabei, als es geschah. Ich werde nie ihren letzten Blick vergessen.... ….oh, aber ich wollte gar nicht so genau werden. Jedenfalls war Chase jetzt tot und ich war alleine. Es war sehr hart. Aber irgendwie habe ich es geschafft. Chase war klug, auch wenn sie das immer bestritten hat, und sie hat mir beigebracht, wie ich mich zurechtfinden kann auf der Welt, auch wenn ich auf einem Auge nichts sehe und auf beiden Ohren nichts höre. Also schlage ich mich seit einem Jahr alleine durch. Schluss, aus. Ende der Geschichte. Ich hasse es, wenn ich das erzählen muss, ich hasse es wirklich.
GEFÄHRTE: Gefährte? Dass ich nicht lache. Natürlich habe ich keinen. Ich bin nicht der Typ Füchsin, die sich einfach so in einen dahergelaufenen Rüden verliebt. Na gut – es würde mir schon gefallen, einen Gefährten zu haben. Jemanden, der nicht ständig plappert, sondern der mir zuhört, wenn ich einmal rede. Jemanden, der mich versteht, ohne groß zu fragen. Jemanden, der genau mein ruhiges, aber dennoch entschlossenes Temperament besitzt. Jemanden, der sich nichts aus meinem Handicap macht. Aber so jemanden gibt es nicht. Ich werde ihn auf dieser Erde nicht finden.
NACHWUCHS: Also. Nein, natürlich nicht! Vielleicht mal irgendwann. Wenn ich dazu bereit bin. Aber wenn ich keinen Gefährten habe, wie soll ich da Nachwuchs haben?
ELTERN: Na ja. Ihr seid ganz schön indiskret, wisst ihr das? Meine Mutter hieß Tiana, und sie war eine hübsche Rotfüchsin mit unendlich viel Geduld für meine drei Brüder und für mich. Wir waren schwierige Kinder. Aber Tiana war eine einfache Mutter, ich glaube, sie hat das alles wettgemacht. Trotzdem hatte ich nie eine richtig gute Beziehung zu ihr. Nicht, dass wir gestritten hätten, aber...sie hatte den Schlüssel zu meinem Herzen nicht. So einfach ist das. Ich habe ihr nie wirklich von mir erzählt, war immer sehr still und war eigentlich die meiste Zeit alleine irgendwo unterwegs. Meiner Mutter bin ich dankbar für das, was sie für uns getan hat, und ich bewundere ihre Geduld und Sanftheit, und klar, ich habe sie gern gehabt, aber eine wirklich starke Liebe war es nicht. Füchse sind unabhängige Tiere. Als sie tot war, hat es mir sehr Leid getan, aber ich hatte ja Chase, ich bin darüber hinweggekommen. Wie ihr sicher bemerkt habt, habe ich meinen Vater noch gar nicht erwähnt bis jetzt. Das lag daran dass ich ihn gar nicht kannte. Meine Mutter hat auch kaum von ihm gesprochen. Die Beziehung meiner Eltern war keine Liebe, es war eher eine zweckmäßige Beziehung. Sie haben sich beide freiwillig nur aus dem Grund zusammengetan, dass sie Welpen zeugen wollten. Noch vor unserer Geburt ist mein Vater verschwunden, auf Nimmerwiedersehen. Irgendwo im Norden desselben Waldes hat er dann seine große Liebe gefunden: Chases Mutter. Chase hat mir erzählt, dass er ein Rotfuchs war und dass er Aster hieß. Er blieb mit seiner großen Liebe bis ans Lebensende zusammen. Und zeugte Chase
GESCHWISTER: Ziemlich viele. Meine drei Brüder haben mich furchtbar genervt, und das mit voller Absicht. Sie waren größer und stärker als ich, aber ich kam mir immer vor wie die viel ältere, vernünftigere Schwester. Es waren ganz stinknormale Rotfüchse, wie Mama. Der größte Bruder, der Erstgeborene des Wurfs, hieß Feanor und war der Initiator der „Nervensäg-Attacken“. Und das lauteste Großmaul überhaupt. Die restlichen drei Brüder machten ihm alles nach, er war ihr Vorbild. Halbstarke waren sie: Valur, Ramses und Todd, der Kleinste, der manchmal sogar freundlich zu mir war, oh Wunder. Es gab kaum einen Tag, an dem wir nicht gestritten haben. Trotzdem habe ich sie ziemlich vermisst, als sie nach Mamas Tod einfach so abgehauen sind. Ich war sehr allein, und ich hatte nur noch sie. Außerdem hatte uns die Tatsache, dass wir Tag für Tag zusammen waren, auch wenn wir uns nicht verstanden, einander ziemlich vertraut gemacht, uns zusammengeschweißt. Ich glaube, sie vermissen mich auch. Und dann war da noch Chase. Chase, meine Halbschwester väterlicherseits. Sie war ein Jahr älter als ich und ich habe sie verehrt, als sei sie meine leibliche Mutter oder etwas Ähnliches. Heilige Chase. Es gab wohl nie eine schlauere, herzlichere, einfühlsamere und geschickteste Rotfüchsin auf der Erde. Und Chase sah wunderbar aus, auch wenn sie sich selbst immer als „langweilig gewöhnlich“ bezeichnete. Ihre Glieder waren kräftig, aber dennoch schlank und fein, und ihr Fell leuchtete wie der Sonnenuntergang. Und ihre bernsteinfarbenen Augen leuchteten wie der Sonnenaufgang. Wenn ich sie angeschaut habe, habe ich sofort das Gefühl gehabt, alles wird gut. Egal, wie ich mich gerade gefühlt habe. Oh Chase. Es tut mir so weh, auch heute noch, dass ich sie verloren habe. Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen, damals, als die Jäger uns verfolgten. Ich kannte die besten Verstecke. An zweien bin ich vorbeigelaufen, weil da nur ein Fuchs reinpasste. Wenn ich an dem Ersten haltgemacht hätte und Chase hineingelassen hätte, um alleine weiterzulaufen und die Hunde abzulenken, wäre sie jetzt noch am Leben. Chase war Balsam für meine Seele, sie war der Sinn meines Lebens. Ich war immer bei ihr, stumm und treu, wie ein Schatten. Sie hatte so eine natürlich überlegene Art...selbst ein trockenes Blatt, dass an ihrem Ohr hängenblieb, trug sie wie einen Heiligenschein. Und trotzdem gab sie nie an. Sie war ein sehr lockerer Typ, hat sich selbst nie absichtlich in ein gutes Licht gestellt und hat immer mehr auf die anderen geachtet als auf sich selbst. Ich glaube, sie fand sich selbst gar nicht mal so toll, denn obwohl sie mir immer wieder versichert hat, wie toll sie mich findet, hat sie ständig sarkastische Kommentare abgegeben wie „selbst der hässlichste Hund ist nicht so hässlich wie ich“ oder „Oh, tut mir Leid, das hab ich übersehen – dumm, wie ich bin“. Aber sie litt nicht unter chronischer Selbstunterschätzung, sondern sie war einfach bescheiden und nicht an sich selbst interessiert. Wer mit ihr sprach, merkte schnell, dass Chase in sich ruhte und mit sich selbst im Reinen war. Nie werde ich den letzten Blick vergessen, den sie mir zuwarf. Einen perfekten Sonnenaufgangsblick. “Lauf, Merle! Lauf!“ Und ich lief. Später schämte ich mich wirklich dafür. Elender Feigling, der ich war.
SCHRIFTFARBE: #B0C4DE Lightsteelblue
INAKTIVITÄT: Ich denke nicht, dass ich inaktiv werde. Wenn doch, darf Merle auf keinen Fall weitergegeben werden! Sie soll aus dem Wald auswandern, aber nicht sterben.
Merle
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Thema: Re: Merle - unfertig Mi Dez 26, 2012 3:57 am
Wäre dann fertig, oder?
Silver Admin
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Thema: Re: Merle - unfertig Mi Dez 26, 2012 11:25 am
wirklich schöner CB und total toll geschrieben! Mein W.O.B ist dir sicher. Natürlich Angenommen